Freitag, 1. Oktober 2010

Sich wiegen im Untergrund, revisited

Am 10.Juli 2010 schrieb ich unter dem Titel Sich wiegen im Untergrund einen Post, der eine 'Elektrische Präzisionswage' auf dem U-Bahnhof Wedding zum Gegenstand hatte.* (Dieser Post ist der am häufigsten aufgerufene des Blogs.)

In diesem Post stellte ich gleich zu Beginn einen - vermeintlichen - Rechtschreibfehler in '...wage' fest. Daß es sich jedoch mitnichten um einen Rechtschreibfehler handelt - wie ich meinte, sicher zu wissen -, sondern daß die Schreibweise sogar weiterführende Informationen preisgibt,  kann ich jetzt schon verraten.

Hitzebedingt hatte ich Anfang Juli nicht den Nerv, weitere Recherchen anzustellen. Dabei ist auf einem Messingschild, unten am Automaten angebracht, der/die Aufsteller/in, der/die Betreiber/in der Waage angegeben, Herr bzw. Frau S.
 
Die inzwischen auf frische fünf Grad am Abend gesunkenen Temperaturen lassen keine Ausrede mehr zu, das Versäumte nachzuholen. Zu meiner Freunde hat die Betreiberin der Waagen auch postwendend auf meine Mail von gestern geantwortet.  Einen herzlichen Dank dafür.
Hatte ich in meinem Post noch diverse Spekulationen anstellen müssen, bin ich jetzt um einige Fakten klüger.

So gibt es zur Zeit 38 Automaten auf den U-Bahnhöfen sämtlicher Strecken, mit Ausnahme der Linie 9.

Gebaut wurden die Waagen in den zwanziger Jahren (!des vorigen Jahrhunderts!). Und damals, so schreibt Frau S., wurden 'Wagen' noch mit einem 'a' geschrieben.

Das sieht so verstörend aus, wie es stimmt. Denn 'Wage' ist tatsächlich die alte Schreibweise von 'Waage'; und zwar genau bis 1927, danach gilt sie als nicht mehr korrekt.**
Daraus läßt sich also schließen, daß die Automaten vor 1927 gebaut wurden.

Das unterfüttert meine spekulative Herleitung des Baujahrs im Ausgangspost. Ebenso könnte ich meine Vermutung bestätigt sehen, daß der Automat auf dem U-Bahnhof Wedding schon seit dessen Eröffnung im Jahr 1923 dort steht, wenn Frau S. schreibt, daß die meisten Automaten schon immer am heutigen Platz gestanden hätten.

Die Vorstellung allerdings, sie hätten nur vor Fertigstellung des Bahnhofs durch die noch nicht geschlossene Decke dorthin transportiert werden können, läßt sich so nicht aufrecht erhalten, wenn Frau S. mitteilt, daß Automaten mit Sackkarre und Muskelkraft auch umgestellt worden sind.
Da ich an dem Bild einer an einem Kranhaken durch die  Luft schwebenden Elektrischen Präzisionswage irgendwie hänge, kann man aber umgekehrt sagen: ausgeschlossen ist es auch nicht.

Für die Annahme von Euro-Cent Münzen wurde tatsächlich lediglich der Münzprüfer umgestellt. Ich finde das nach wie vor eine stolze Leistung, daß bei einem solch historischen Automaten das so einfach gemacht werden kann.  (Versuch mal ein x-beliebiges halbwegs aktuelles Computerprogramm mit Windows (19)95 laufen zu lassen. Nix!) 

Derweil habe ich noch eine weitere, diesmal in Ocker gehaltene Personenwage gefunden, auf dem ebenfalls 1923 eröffneten U-Bahnhof Seestraße.

Und auf der Gewichtstabelle bin ich unterdessen ein Stück näher an das Ideal herangekommen, das selbst aber noch weit genug entfernt ist, um immer mal wieder die U-Bahnfahrt durch einem Besuch der Sielaff'schen Elektrischen Präzisionswage zu unterbrechen.

http://berlinbanal.blogspot.com/2010/07/elektrische-prazisionswaage.html
**  http://de.wiktionary.org/wiki/Wage

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen