Ich seh die jüngere Frau, die mich auf der Straße anspricht, verdattert an.
"Na Partnerlook!"
Ich stehe da und gucke weiter und nicht weniger blöd aus der Wäsche.
"Partner-Look!!", dabei zeigt sie auf mich und auf unseren Jungdackel Lotti.
Und dann fiel der Ostgroschen bei mir: Lotti hatte einen roten Mantel an und ich eine rote Daunenjacke.
Ich faßte mich entschuldigend für meine Begriffsstutzigkeit und zum Zeichen, daß ich es nun kapiert hätte, an den Kopf und nickte lächelnd und zustimmend.
Wenn man mit einem Hund unterwegs ist, lassen sich Kontakte auf der Straße kaum vermeiden - zumindest wenn es sich bei dem Hund nicht um einen Kampfhund mit oder auch ohne lose baumelndem Maulkorb handelt. Bei dem Schnee und der Kälte habe ich ständig solch freundliche anonyme Ansprachen auf der Straße erlebt. Zudem wird offensichtlich angenommen, daß es sich bei jemandem mit Hund um einen Ortskundigen handelt.
Idyllische Stadtlandschaft mit Schnee, Lausepark, heute
Als mich zwei halbwüchsige Mädchen mit Schlittschuhen über der Schulter und ersten Anzeichen von nachlassenden Kräften fragen, wie weit es noch bis zum Eisstadion sei, habe ich mich noch grad zurückhalten können zu antworten mit sowas wie 'Ooch, das is noch n ganz schönes Stück.' Die wären auf der Stelle zusammengebrochen.
Ich sage stattdessen in etwa: "Ach, das sind so fünf, gut fünf Minuten. Gleich da hintn, hinter der Brücke ... na ja kam' man von hier nich so genau sehn. Aber is kein Problem."
Man erfährt auch von anderen Sichtweisen.
Eines frühen Abends im Lausepark, Lotti und ich auch wieder in Rot, spricht mich eine Frau an, die auf dem Weg auf ihren Mann wartet, - der sich gerade in die Büsche verpißt hat, um ... ja genau, aber immerhin hatte er sich weit genug zurückgezogen für ein Minimum an Diskretion (ist nicht selbstverständlich im Lausepark) - und teilt mir mit leichten osteuropäischem Akzent mit, daß das endlich mal ein richtiger Winter sei, und zwar einer "wie in Moskau".
Das ließ natürlich mein lokalpatriotisches Herz kurz höher schlagen: 'Berlin - Winter wie in Moskau', das hörte sich irgendwie bedeutsam und großartig und deshalb gut an für Berlin. Aber, es fiel grad sehr idyllischer sanfter Neuschnee bei etwas unter Null Grad, vom Kopf her hatte ich da doch Zweifel, und sage: "Aber nicht so kalt wie Moskau."
"Doch, doch", beharrt die Frau, während ihr Mann anfängt, sich aus den Büschen zurück zu schlagen, "ist niemand mehr gewohnt, was Winter is. Die polnischen Mädchen, ziehen Schuhe mit hohe Hacken an, und können nicht laufen und frieren." Ich stimmte ihr kopfschüttelnd zu und sagte etwas Tiefschürfendes wie 'Jaja da haben Sie aber wirklich Recht'. Ihr Mann war derweil zurück, wir wünschten gegenseitig noch einen guten Abend und sie gingen weiter, während Lotti unentwegt den Schneetaucher machte, um nach verborgenenem Fressbaren unter dem Schnee zu schnüffeln.
Aber Schnee-Winter-Kälte-Idylle macht offensichtlich mürbe.
"Nun is mal genug mit dem Schnee", sagt Frau E., die ich in der Rehberge treffe, während Lotti und Emil junghündisch in eben diesem raufen. Und obwohl Frau E. noch nicht so lange in Berlin ist, scheint da etwas des 'genus loci', des Berliner Ortsgeistes, auf sie einzuwirken.
Die Idylle macht deshalb mürbe, weil man nicht vernünftig meckern kann. Wenn etwas nur lange genug anhält, dann hat man endlich etwas, zum darüber meckern. Zum Beispiel: Schnee seit, circa Mitte Dezember, also seit einem guten Monat, mit einer kleinen Unterbrechung zum Jahresende. Ich weiß nicht, ob die Moskauer sich nach so kurzer Zeit schon Winter-Überdruß erlauben können.
Aber ehrlich gesagt, mir gehts auch drauf. Guckt euch das an!
Müllerstraße, heute
Hier, das, ja so muß es wenigstens sein, sonst weiß man ja gar nicht mehr, wo man ist. Ist ja kein Wintersport-Ort hier, soweit kommt das noch.
Müllerstraße, heute
Diese Gefahr ist erstmal gebannt. Eine weitere jedoch noch nicht.
Was, wenn plötzlich die Sonne scheint?!! Die scheint nämlich seit 14-20 Tagen nicht mehr. Um genau zu sein, sie scheint schon, wird aber in Berlin seitdem von einer Wolkendecke behindert, sich auch zu zeigen. Das ist natürlich was, zumal der alte Rekord von 13 Tagen ohne Sonne-sich-zeigen in Berlin auf jeden Fall gebrochen ist.
Nun kann man sich streiten, ob es bei der Januarsonne auf dem 52. Breitengrad wirklich einen so großen Unterschied macht, ob man sie sieht, sie sich zeigt oder nicht. Sollte sie sich aber zeigen, heißt das meteorologisch Hochdruck, also Ost- oder Nordwetterlage, und damit Kälte, und vielleicht wirklich wie in Moskau.
Ein Glück, dann kann man sich darüber echaufieren.
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