Mittwoch, 20. Januar 2010

Endlich gibts was zu meckern

"Partnerlook!?"
Ich seh die jüngere Frau, die mich auf der Straße anspricht, verdattert an.
"Na Partnerlook!"
Ich stehe da und gucke weiter und nicht weniger blöd aus der Wäsche.
"Partner-Look!!", dabei zeigt sie auf mich und auf unseren Jungdackel Lotti.
Und dann fiel der Ostgroschen bei mir: Lotti hatte einen roten Mantel an und ich eine rote Daunenjacke.
Ich faßte mich entschuldigend für meine Begriffsstutzigkeit und zum Zeichen, daß ich es nun kapiert hätte, an den Kopf und nickte lächelnd und zustimmend.

Wenn man mit einem Hund unterwegs ist, lassen sich Kontakte auf der Straße kaum vermeiden - zumindest wenn es sich bei dem Hund nicht um einen Kampfhund mit oder auch ohne lose baumelndem Maulkorb handelt. Bei dem Schnee und der Kälte habe ich ständig solch freundliche anonyme Ansprachen auf der Straße erlebt.  Zudem wird offensichtlich angenommen, daß es sich bei jemandem mit Hund um einen Ortskundigen handelt.


Idyllische Stadtlandschaft mit Schnee, Lausepark, heute

Als mich zwei halbwüchsige Mädchen mit Schlittschuhen über der Schulter und ersten Anzeichen von nachlassenden Kräften fragen, wie weit es noch bis zum Eisstadion sei, habe ich mich noch grad zurückhalten können zu antworten mit sowas wie  'Ooch, das is noch n ganz schönes Stück.' Die wären auf der Stelle zusammengebrochen.


Ich sage stattdessen in etwa: "Ach, das sind so fünf, gut fünf Minuten. Gleich da hintn, hinter der Brücke ... na ja kam' man von hier nich so genau sehn. Aber is kein Problem."
Ich hab mir auch verkniffen zu fragen, warum sie nicht einfach in die U-Bahn steigen - das trug sich direkt am Eingang des U-Bahnhofs Wedding zu - und wenigstens noch eine Station bis Reinickendorfer Straße fahren, und dann wärs wirklich ... Eine U-Bahn Station als Entfernungsangabe hört sich einfach zu weit an, auch wenn es tatsächlich nur eine sehr kurze Station ist.

Man erfährt auch von anderen Sichtweisen.
Eines frühen Abends im Lausepark, Lotti und ich auch wieder in Rot, spricht mich eine Frau an, die auf dem Weg auf ihren  Mann wartet,  - der sich gerade in die Büsche verpißt hat, um ... ja genau, aber immerhin hatte er sich weit genug zurückgezogen für ein Minimum an Diskretion (ist nicht selbstverständlich im Lausepark) - und teilt mir mit leichten osteuropäischem Akzent mit, daß das endlich mal ein richtiger Winter sei, und zwar einer "wie in Moskau".
Das ließ natürlich mein lokalpatriotisches Herz kurz höher schlagen: 'Berlin - Winter wie in Moskau', das hörte sich irgendwie bedeutsam und großartig und deshalb gut an für Berlin. Aber, es fiel grad sehr idyllischer sanfter Neuschnee bei etwas unter Null Grad, vom Kopf her hatte ich da doch Zweifel, und sage: "Aber nicht so kalt wie Moskau."
"Doch, doch", beharrt die Frau, während ihr Mann anfängt, sich aus den Büschen zurück zu schlagen, "ist niemand mehr gewohnt, was Winter is. Die polnischen Mädchen, ziehen Schuhe mit hohe Hacken an, und können nicht laufen und frieren." Ich stimmte ihr kopfschüttelnd zu und sagte etwas Tiefschürfendes wie 'Jaja da haben Sie aber wirklich Recht'. Ihr Mann war derweil zurück, wir wünschten gegenseitig noch einen guten Abend und sie gingen weiter, während Lotti unentwegt den Schneetaucher machte, um nach verborgenenem Fressbaren unter dem Schnee zu schnüffeln.

 Aber Schnee-Winter-Kälte-Idylle macht offensichtlich mürbe.
"Nun is mal genug mit dem Schnee", sagt Frau E., die ich in der Rehberge treffe, während Lotti und Emil junghündisch in eben diesem raufen. Und obwohl Frau E. noch nicht so lange in Berlin ist, scheint da etwas des 'genus loci', des Berliner Ortsgeistes, auf sie einzuwirken.

Die Idylle macht deshalb mürbe, weil man nicht vernünftig meckern kann. Wenn etwas nur lange genug anhält, dann hat man endlich etwas, zum darüber meckern. Zum Beispiel: Schnee seit, circa Mitte Dezember, also seit einem guten Monat, mit einer kleinen Unterbrechung zum Jahresende. Ich weiß nicht, ob die Moskauer sich nach so kurzer Zeit schon Winter-Überdruß erlauben können.

Aber ehrlich gesagt, mir gehts auch drauf. Guckt euch das an!


Müllerstraße, heute

Gut, schön ist anders. Aber ist es nicht auch wieder schön, wenn man sagen kann, sieh dir diesen Dreck an, ist ja schauderhaft - oder wie jeder das ausdrücken will - da kommt doch ein Gefühl von Heimat auf: ein schöner, ein idyllischer Berliner Winter, das kann doch nicht lange vorhalten, das ist doch ein Widerspruch in sich.

Hier, das, ja so muß es wenigstens sein, sonst weiß man ja gar nicht mehr, wo man ist. Ist ja kein Wintersport-Ort hier, soweit kommt das noch.


 Müllerstraße, heute

Diese Gefahr ist erstmal gebannt. Eine weitere jedoch noch nicht.
Was, wenn plötzlich die Sonne scheint?!! Die scheint nämlich seit 14-20 Tagen nicht mehr. Um genau zu sein, sie scheint schon, wird aber in Berlin seitdem von einer Wolkendecke behindert, sich auch zu zeigen. Das ist natürlich was, zumal der alte Rekord von 13 Tagen ohne Sonne-sich-zeigen in Berlin auf jeden Fall gebrochen ist.
Nun kann man sich streiten, ob es bei der Januarsonne auf dem 52. Breitengrad wirklich einen so großen Unterschied macht, ob man sie sieht, sie sich zeigt oder nicht. 
Sollte sie sich aber zeigen, heißt das meteorologisch Hochdruck, also Ost- oder Nordwetterlage, und damit Kälte, und vielleicht wirklich wie in Moskau.

Ein Glück, dann kann man sich darüber echaufieren.

Dienstag, 19. Januar 2010

Dank Frau Bundestagsabgeordnete

Gestern, Montag, Nachmittag waren die Flaschen weg. (s. Blog v. 15.1.10 'Einmal ums Karree bei Schnee')



Zeitgleich bekam ich eine Email von der Bundestagsabgeordneten Frau Dr. Högl (SPD), die ihr Bürger-Wahlkreisbüro in der Müllerstraße 163 und damit direkt vis-a-vis der nunmehr beseitigten Flaschenhinterlassenschaft hat:

" ...
vielen Dank für Ihre Nachricht.

Die Sauberkeit in unserem Kiez ist uns selbstverständlich wichtig. Deshalb haben wir gerne Ihren Hinweis aufgenommen und haben die Flaschen natürlich umgehend entsorgt.
Sie haben Recht! Auch scheinbar banale Dinge, wie zum Beispiel herumliegende Flaschen, wirken sich auf die Atmosphäre im Kiez aus und beeinträchtigen den "Wohlfühlfaktor" negativ.

Deshalb scheuen Sie sich bitte nicht, wenn Ihnen etwas im Kiez auffällt, mit uns in Kontakt zu treten. Wir werden versuchen, nach unseren Möglichkeiten, Abhilfe zu schaffen. "


(Sollte das 'Veröffentlichen' der Email ein Problem sein, ist das schnell zu lösen. Aber sie ist ja nur positiv.)

Ich war nicht wenig überrascht, als ich am Nachmittag den flaschen-leeren Straßenraum sah. Einerseits war das gewohnte Bild nicht mehr gegeben - das war leicht zu verschmerzen, auch wenn ich nun einige hübsche Aufnahmen des unterdessen aufgelösten und verstreuten Flaschenensembles im Neuschnee nicht mehr anbringen konnte. Andererseits fragte ich mich, ob sich tatsächlich  eine MdB um solch eine - global gesehen - popelige Angelegenheit  gekümmert hatte. Letzteres war offensichtlich der Fall, was mit Verlaub nicht das war, was ich wirklich erwartet hatte. Aber umso besser.


Die Überraschung und positive Verwunderung werde ich vielleicht einmal zum Anlaß nehmen, etwas in eigener Blogsache zu sagen.

...

Freitag, 15. Januar 2010

Einmal ums Karree bei Schnee

Ums Karree, um'n Block: Mit Hund treibts einen da mindestens einmal am Tag herum, bei jedem Wetter, egal ob man nun selbst Lust hat oder nicht. Lotti und ich gehen meist nach rechts aus dem Haus auf die Müllerstraße in Richtung Süden. 2 Häuser weiter der erste Stolperstein.

1) Seit mehreren Tagen verfolge ich und verfolgt mich dieses Stilleben 'Plastikflaschen an Straßenbaum': sechs leere 5 Liter-Wasserflaschen, die man bei türkischen Lebensmittelläden bekommt, an den Baum geworfen, oder um den Baum drapiert, aufgelockert von einer 1 Liter- Plastikflasche, in der sich ein Glasreiniger der Firma 'Frosch' befand. 



Nun ist nicht davon auszugehen, daß jemand eben mal mit 30 Liter Wasser seinen Durst gelöscht hat, nicht wußte, wohin mit dem Leergut, und es wie üblich unter sich hat fallen lassen - also keine der hier üblichen en passant Abfall-Inkontinenzen. (siehe Blog 'Advents-Fundstücke' vom 30.11.2009) Es läuft aber auf dasselbe hinaus: der öffentliche Raum wird durch den Flaschenabfall verschandelt, die Gegend um ein Moment der Verwahrlosung reicher.
Dem könnte man begegnen und den Müll, - auch wenn man sich ärgert, daß man dem Verursacher den Dreck hintererräumt - selbstständig beseitigen. Vor dem Haus, in dem ich wohne, wird das auch so gehandhabt (nicht nur von mir allein).

Das Stilleben 'Plastikflaschen an Straßenbaum' liegt nun im Bereich der Parteizentrale der Berliner SPD. Um genau zu sein: wenn die Abgeordnete des Deutschen Bundestages (MdB) Frau Dr. Eva Högl, die hier in ihrem Wahlkreis Berlin-Mitte ein Bürgerbüro betreibt aus dem Fenster sähe, erblickte sie: eben jenes 31 Liter Flaschen Arrangement.



Liebe Frau Bundestagsabgeordnete, liebe SPD, schaff'ts doch einfach die Flaschen weg. Und seid mal ganz spontan, bring'ts einfach in den Müll, weg von der Straße. Und keine Findungskommission bitte, ob die Flaschen in die gelbe Tonne verbracht werden dürfen oder nicht. (Eigentlich nicht, da das türkische Leergut nicht Teil des Dualen Systems, also des Grünen Punkts ist. Man kanns aber trotzdem reinwerfen und so der Wiederverwertung zuführen.)
Das wäre ein banaler Beitrag zur Aufwertung bzw. zum Stop der Abwertung des Viertels.

Wir, also Lotti und ich, biegen dann rechts in die Burgsdorfstraße ein, und weiter wieder rechts in die Willdenowstraße.
Im Gegensatz zu Regen, der die Menschen mürrisch und verdrossen machte und sie sich voneinander abstoßen ließe, brächte Schnee einander näher, hellte auf, machte gelassener. Schnee überzieht uns mit einer entschleunigenden, dämpfenden Decke wie aus Zuckerguß.
Schnee macht jedoch auch die Straßen nicht nur glatter (das ist halbwegs bekannt), sondern auch enger. Irgendwo bleibt ja der Schnee auf der Straße, nämlich ebendort, also wird der verfügbare Fahr- bzw. Parkraum kleiner. 

2) 2 Lieferwagen kommen sich schneebedingt nun sehr nahe. Ein Großraumlieferwagen ist mit dem auf der Willdenowstraße abgestellten DPD-Lieferwagen schon auf gleicher Höhe, da rutscht ihm scheppernd das Heck gegen den DPD-Wagen. Laderaum hallt gegen Laderaum. Nachdem der Paketbote von seiner Auslieferung nach wenigen Minuten zurückkomt, gibts einige gegenseitige Beschimpfungen, dann trennt man die Wagen voneinander, und fährt seiner Wege.


  
3) Weiter gehts an der Trift Schule vorbei rechts in die Triftstraße und wieder rechts in die Müllerstraße. Vor dem Haus wiederangelangt ist M. leicht außer sich. Sie wollte gerade mit dem Auto isn Büro fahren, mußte aber feststellen, daß ihr Scheibenwischerblatt nicht mehr vorhanden war. Daß jemand den Scheibenwischer aus purer Lust an der Zerstörung abgebrochen hätte - das wäre ärgerlich, aber keine Überraschung gewesen. Aber nein, hier hatte jemand einen Scheibenwischer gebraucht und hatte Nachbarschaftshilfe nicht gegeben, sondern sich genommen: Bitte schön auch, wir danken sehr!
Ab jetzt wird das Wischerblatt markiert. Auch wenns nahe liegt, wir wissen es eben nicht, ob es jemand aus dem Nachbarhaus mit dem gleichen Autotyp war.

Ums Karree, um'n Block: Mit Hund mindestens einmal am Tag, bei jedem Wetter, egal ob man nun selbst Lust hat oder nicht.

4) Deshalb jetzt und hier in aller Ein-Deutlichkeit. Es wird diesjahr einen richtigen Winter in Berlin gegeben haben, mit Kälte und Schnee. Nicht daß es hinterher keiner gewußt haben will, nicht daß in einem halben Jahr wieder gejammert wird: Ooh, es gibt gar keinen Winter mehr, früher hatten wir noch richtige Winter, und Erderwärmung und im Sommer, im Sommer wars auch viel wärmer, und und und ... bis hin zum Kaiser, den wir früher auch mal gehabt hätten.

Hier der Beweis!

Und hier!
 
Und da noch einmal!
 
Schnee.


P.S: Folgende Mail habe ich heute abgeschickt.

Sehr geehrte Frau Dr. Högl,
ich möchte SIe auf einen vollkommen banalen Mißstand direkt vor Ihrer Nase hinweisen.
Ich verweise dazu auf meinen Blogeintrag von heute, 15.1.2010. Sie brauchen ihn nur anzulesen:

http://www.berlinbanal.blogspot.com

Mit freundlichen nachbarlichen Grüßen
Werner Gotzmann

Dienstag, 5. Januar 2010

Silvester auf Fischland und Egon


Silvester, eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang, Richtung Südwesten.



Ach ja, am Vormittag, bei den letzten kleinen Einkäufen ...

Kurz gewendet, Richtung Nordost.

... bei Edeka in Dierhagen, ... 



Und wieder gedreht auf Südwest.

... läuft doch die ganze Zeit vor mir, vom Eingang an, und an der Kasse tatsächlich auch wieder, läuft da ...



.. der Genosse Egon Krenz vor mir her.

Zurück auf Nordost.

Ich hab natürlich geguckt, was er im Einkaufswagen liegen hatte:



... Buttermilch, ok, und Joghurt glaub ich. Dann eine Matjes-Mahlzeit. Sehr vorausblickend ...
... Eine Orchidee, wunderbar. Und dann noch die aktuelle Super-Illu. Ist eben die alte Volksnähe, dachte ich. Andererseits, früher, als er mal kurzzeitig Staatsratsvorsitzender war, da hätts Ärger gegeben, wenn da ein Bürger die Super-Illu gehabt hätte. Aber wieder andererseits, zu der Zeit gabs die noch gar nicht. 

Vollmond war. Lange nach Sonnenuntergang noch konnte man gut mit Lotti über den Strand gehen. An der Strandbude trafen wir mit M. zusammen; wir tranken einen Glühwein; Lotti grub im Sand.



Dann kamen Freunde vorbei, von der gegenübergelegenen Seite des Boddens. Eigentlich waren sie aber auch alle aus Berlin. Wir zählten die letzten Zehn-Sekunden runter. Lotti und Rudi, die beiden Dackeljunghunde, waren ausnahmsweise mal friedlich.
Dann der Moment, an dem die Zeit still stand, um genau 23:59:60=00:00:00, und schon waren wir reingerutscht ins neue Jahrzehnt, rechnerisch.
Zum Strand runter, über den Deich, hinter dem es zum Wasser zu wärmer wurde. Das Feuerwerk am Strand.
Dann gingen wir wieder zurück. Der Vollmond warf ein Licht auf den Weg, so hell und fahl wie das Licht meiner LED-Taschenlampe.

In der Silvesternacht schneite es ordentlich.
Am Neujahrstag gen Nordost:



Und Südwest:


Klickst du rauf!