Samstag, 10. Januar 2015

Lob des Januars

Nie zeigt sich Berlin berlinischer als in einem Berliner Januar. 
Schmierig, schlierig,schmuddelig. Dazu zieht grad ein Sturmtief nach dem anderen vorüber bei zweistelligen Plusgraden. Die Wolken entladen sich in diagonal bis waagerecht fallenden Wasserschüttungen. Ich habe im Park  ein ums andere Mal nach oben geschaut, ob die Bäume, ob die Äste halten. Die Wege waren gesäumt mit Bruchholz.
Dazwischen lange ruhige Phasen, in denen man die Abstufungen und Varianten des Farbzustands Grau studieren kann. Denn Berlin im Januar, das heißt Grau. Grau überall, bis zum Horizont, und dahinter und direkt vor der Nase. Auch Farbiges ist grau. Jede Farbphotographie würde das beweisen.
'Uns fehlen die Grundfarben. Wir schimmern nur.' * (Die Ungerechtigkeit mit der nördlicheren Lage Berlins. Die Süddeutschen haben zur Zeit eine gute halbe Stunde mehr an Tageslicht.)

Über jeden Monat ließe sich irgendetwas finden, womit man begründen könnte, weshalb man ganz erpicht darauf sein sollte, gerade jetzt in diesem Monat zu leben - (Im Februar z.B. steht Karnevalsbesinnungslosigkeit an, nachdem man im Dezember vielleicht grad den Weihnachtsbesinnlichkeits-Weihnachtsfeiern-Einkaufs-Streß überstanden hat). 
Doch beim Januar, da klappt das nicht. (Dschungelcamp scheint mir ein bißchen dünn als Begründung.) Deshalb macht man sich mit solchem Bekenntnis zwar leicht verdächtig - aber ich liebe den Januar!
Denn kaum etwas ist so synonym für Depression, ist so identisch mit Melancholie wie der Januar.  Hemmungslos kann man sich aller negativen Gedanken, alle Verzweifelungen, aller Trauer oder einfach nur der schlechten Laune hingeben, und kann es einfach auf den Januar schieben. Anforderungen wird  niemand ernsthaft an einen zu stellen wagen. Und wenn doch: Guck mal raus, ohne mich, s'ist Januar. Man kann - wenn man kann - sich fühlen, wie man will, kann sich aller guten Laune und aller Zwangsbeglückung verweigern und Nichts machen, wenn man kann. Am Januar solls nicht liegen, der läßt die Freiheit.

Die Rehberge sind leer. Die Bäume ragen mit kahlem Geäst ins Graue. Vereinzelte Hundegänger und Jogger, doch so verteilt, daß man zwischendurch meint, man wär allein auf der Welt. Lotti ist besonders gut drauf beim dem Wind, der ihre Jagdstimmung anfacht. Ich bin sowieso bester Laune. Denn es ist Januar, und ich habe endlich allen Raum der Welt, um einige Betrachtungen über den Januar anstellen zu können.

*Bodo Morshäuser, Die Berliner Simulation, Ffm 1983,S. 80

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