Mittwoch, 18. Februar 2015

Von weither

Musik erscholl heute in der Rehberge. Aus einiger Entfernung, doch relativ gut erkennbar, Blasmusik. Aus nordwestlicher Richtung, von der Kaserne her also. Also Bundeswehrmusikkorps:  Berliner LuftLuftLuft, Nationalhymne, andere Stücke, deren Titel ich nicht kannte.

Hier hörte man die Blasmusik schon längst.

Als Kind schon lag ich immer noch wach an langen hellen Sommerabenden, wenn ich schon ins Bett geschickt worden war, und hörte,wenn der Wind entsprechend stand, wie die französischen Musikcorps zum Nationalfeiertag oder für eine Parade in der Feilichtbühne probten.
 
Hier hörte man die Musik auch. Aber was sich da für eine Subversion auftut.

Als ich mit Lotti schon gegen Ende der Runde auf der Catcherwiese stehen geblieben war, und nicht darauf kam, was das Blasorchester da grad spielte, sprach mich eine Frau mit einer Spitzmischung an und teilte mir mit, daß das hinten von den Franzosen käme. Jaja bestätigte ich, da fände so eine Veranstaltung statt, auch mit Ansprachen, man käme ja fast bis ran, aber das ist ja jetzt - und ich mußte das jetzt sagen, weil ich mir absolut nicht sicher war, ob die Frau das wirklich wußte - das wäre ja jetzt die Bundeswehr. Ja, erwiderte die Frau, aber früher waren da die Franzosen.

Dienstag, 17. Februar 2015

"Nachmittag Schwimmschule"

Es in-stabilisiert sich zunehmend. Im Angebot wären das Euro-System und Griechenland, die Ukraine im Gezerre von Rußland der EU und der USA, die Religions-Hooligans von IS im Nahen Osten, und wer von wem in Afrika gerade abgeschlachtet wird, - ich habe keinen Überblick. 
Die Ungleichgewichte werden nachhaltiger.




Und da diese Sonne über dem Plötzensee am Nachmittag auf der großen Runde mit Lotti. Es ist frisch, das Wasser von einer hauchdünne Eisschicht bedeckt, das Geäst kahl. Das ist Vorvor-Vorfrühling. 
Nein, die Schwimmschule ist noch geschlossen.

Samstag, 31. Januar 2015

Januarabgesang

Der letzte Januartag brachte doch noch Winter. Schon kurz nach Mitternacht hatte es begonnen zu schneien.

Weddinger Postkartenidyll

Am Vormittag in den Rehbergen dann Ausgang für alle: Hunde sowieso, Kinder und Schlitten heut auch. Dem Anschein nach auch aus dem fernen Prenzlberg und/oder Mitte. Die haben ja sowas wie die Rehberge nicht.

Lotti im Schnee
 
Trotz Schneeintermezzo. Der Januar vorbei. Der Winter wird einen nicht mehr anfechten, höchstens noch mal kurz ärgern können. Das ist nach langer berliner Wintererfahrung nun mal sicher.    

Samstag, 10. Januar 2015

Lob des Januars

Nie zeigt sich Berlin berlinischer als in einem Berliner Januar. 
Schmierig, schlierig,schmuddelig. Dazu zieht grad ein Sturmtief nach dem anderen vorüber bei zweistelligen Plusgraden. Die Wolken entladen sich in diagonal bis waagerecht fallenden Wasserschüttungen. Ich habe im Park  ein ums andere Mal nach oben geschaut, ob die Bäume, ob die Äste halten. Die Wege waren gesäumt mit Bruchholz.
Dazwischen lange ruhige Phasen, in denen man die Abstufungen und Varianten des Farbzustands Grau studieren kann. Denn Berlin im Januar, das heißt Grau. Grau überall, bis zum Horizont, und dahinter und direkt vor der Nase. Auch Farbiges ist grau. Jede Farbphotographie würde das beweisen.
'Uns fehlen die Grundfarben. Wir schimmern nur.' * (Die Ungerechtigkeit mit der nördlicheren Lage Berlins. Die Süddeutschen haben zur Zeit eine gute halbe Stunde mehr an Tageslicht.)

Über jeden Monat ließe sich irgendetwas finden, womit man begründen könnte, weshalb man ganz erpicht darauf sein sollte, gerade jetzt in diesem Monat zu leben - (Im Februar z.B. steht Karnevalsbesinnungslosigkeit an, nachdem man im Dezember vielleicht grad den Weihnachtsbesinnlichkeits-Weihnachtsfeiern-Einkaufs-Streß überstanden hat). 
Doch beim Januar, da klappt das nicht. (Dschungelcamp scheint mir ein bißchen dünn als Begründung.) Deshalb macht man sich mit solchem Bekenntnis zwar leicht verdächtig - aber ich liebe den Januar!
Denn kaum etwas ist so synonym für Depression, ist so identisch mit Melancholie wie der Januar.  Hemmungslos kann man sich aller negativen Gedanken, alle Verzweifelungen, aller Trauer oder einfach nur der schlechten Laune hingeben, und kann es einfach auf den Januar schieben. Anforderungen wird  niemand ernsthaft an einen zu stellen wagen. Und wenn doch: Guck mal raus, ohne mich, s'ist Januar. Man kann - wenn man kann - sich fühlen, wie man will, kann sich aller guten Laune und aller Zwangsbeglückung verweigern und Nichts machen, wenn man kann. Am Januar solls nicht liegen, der läßt die Freiheit.

Die Rehberge sind leer. Die Bäume ragen mit kahlem Geäst ins Graue. Vereinzelte Hundegänger und Jogger, doch so verteilt, daß man zwischendurch meint, man wär allein auf der Welt. Lotti ist besonders gut drauf beim dem Wind, der ihre Jagdstimmung anfacht. Ich bin sowieso bester Laune. Denn es ist Januar, und ich habe endlich allen Raum der Welt, um einige Betrachtungen über den Januar anstellen zu können.

*Bodo Morshäuser, Die Berliner Simulation, Ffm 1983,S. 80

Freitag, 2. Januar 2015

Abenteuer an Silvester und Neujahr

Wir waren alle geflohen vor den silvesterlichen Kriegssimulationen in Berlin.

 Am Abend würde Lotti anschlagen, wuffen. Das kann erstmal ziemlich viel bedeuten: von Garnichts bis da versucht grad jemand einzubrechen. Jedenfalls lag da dann die Frau. Lag auf dem Rücken, die Hände über dem Bauch verschränkt, auf einer Reihe von Sitzkissen, und hatte wie als eine Zudecke ein weiteres Sitzkissen auf sich gelegt. Ja der Brustkorb hob - und senkte sich. Sie trug einen Nylonmantel, hatte eine Mütze auf und Handschuhe an. Die Füße guckten halb über die Sitzkissenunterlage und steckten in festen Straßenschuhen. Sie sah aus, die Frau, als hatte sie sich entschlossen, heute in winterlicher Straßenkleidung zu schlafen, und zwar auf dem Boden eines blinden/toten Ecks, das von zwei langen Gängen des Flures gebildet wurde, die sich in einem rechten Winkel hier trafen. Sie mag Ende sechzig, Anfang siebzig gewesen sein. Sie schlief.
Hallo!? Hallo?!
Die Frau öffnete die Augen, hob etwas ihren Oberkörper.
Ob wir ihr helfen können?
Nein, nein. Danke. Alles in Ordnung.
Ob sie hier wohnen würde?
Ja ja. Hier gleich in Zweihundertvier.
Ahha. Ob sie Gast oder Eigentümerin wäre?
Nein, sie wäre hier bei Privat. Bei Frau Böhme.
Aha. Und Sie kommen nicht rein?
Nein.
Ist denn niemand in der Wohnung?
Nein, sie wäre allein hier. Wollte vorhin noch einen kleinen Spaziergang machen. Als sie die Wohnungstür zugemacht hatte, merkte sie, daß sie den Schlüssel nicht eingesteckt hatte.
Den Hausmeister anrufen?
Ihr Handy hätte sie ja auch in der Wohnung gelassen. Und der Hausmeister will doch jetzt in Ruhe Silvester feiern. Oder hat sein Telefon gleich ganz ausgeschaltet. Es war Silvester, abends gegen 22 Uhr. Sie würde morgen früh zur Rezeption gehen und sich aufschließen lassen. Die sind ab 8 Uhr da.
Am nächsten Morgen war die Frau vom Gang verschwunden, die Kissen waren wieder verräumt. Die Wasserflasche stand unangetastet da. 

Am Nachmittag, des Neujahrstages, bei leichtem Schneetreiben draußen im Thermalwasser  Bahn auf Bahn ziehend. Nur anfangs die Schultern kühl von den pitzligen Flocken. Lotti lag da längst auf ihrem Kissen nach der Kurwaldrunde.