Ich heiße Lotti.
Ich gehe unangeleint in Grünanlagen.
Ich heiße Werner.
Ich bin Hundehalter.
Neulich (letztes Wochenende) war es wieder soweit - die mindestens einmal pro Jahr durchs Dorf getriebene Sau 'Hunde und Berlin' wurde von RBB und Tagesspiegel durch den Beitrags- und Kommentarsumpf geschickt. Die Pro/Contra-Frage des Tagesspiegels 'ob Grünanlagen für Hunde gesperrt werden sollen' wurde zu 70 % sowohl im Internet- als auch per Telefonabstimmung bejaht.
Das heißt zwar erst einmal nur, daß die Klientel des Tagesspiegels wahrscheinlich mehrheitlich nicht zu den Hundehaltern gehört. Die Ressentimentgeladenheit der Kommentare jedoch verstörte mich und Lotti so nachhaltig, daß wir sofort die regionale Sektion der AH(H) zwecks Entlastung aufsuchen mußten.
Da braut sich was zusammen |
Es ist zwar jedes Mal das Gleiche, was an Anschuldigungen und Argumenten vorgebracht wird, die Eskalationsstufe ist jedoch neu, höher. Denn die Forderung nach allgemeinem Hundeausschluß aus Grünanlagen war bisher so laut noch nicht geworden.
Nur gibt es längst Hundeausschlußgebiete: Geschützte Spielplätze oder die von der landeseigenen 'GrünBerlin GmbH' betriebenen 'Gärten der Welt' und der 'Britzer Garten'. Seit Januar 2010 kam dann erstmals ein öffentlicher Platz hinzu, der Kollwitz-Platz in Prenzlberg - klar bei den Prenzlwichsern, damit bloß kein Hund an Neles oder Johannes-Marios Designer-Turnschuhen rumschnüffelt.
Sprengelpark, Wedding |
Die letzte Attacke vor einer Woche wurde dann von den Friedrichshainis um Boxhagener Platz, Weberwiese, aber auch vom Schlachtensee in Zehlendorf her geritten. Offensichtlich handelt es sich bei den Hundephobikern vor allem um Bewohner gentrifizierter Areale in Berlin.
Nun ist gentrifizierter Mob in seinem Mobsein leider auch nicht gentrifizierter als ein nicht gentrifizierter Mob, vielleicht weniger lynchbereit, dafür grund-hysterischer.
Ein generelles Innenstadtverbot für Hunde wurde angeregt oder - von den ganz besonders Wohlmeinenden - neue Hundeauslaufgebiete gefordert.
Nun hilft es ja nichts, sich nur bei den AHH auszuheulen. Sehen wir der Apartheid der Hundeausschlußgebiete ins Auge und besuchen einmal ein Hundeauslaufgebiet. Am Wochenende machten sich Lotti und ich deshalb auf den Weg zu zwei sehr unterschiedlichen Hometowns: im Tempelhofer Park und im Volkspark Rehberge.
Es war ja nochmal richtig heiß am Sonnabend, und beim Tempelhofer Park handelt es sich um den ehemaligen Zentralflughafen Tempelhof, also um eine Flughafengelände ohne Flugzeuge. Das 3,5 km² große Areal besteht aus den Betonrollbahnen und Rasenflächen ohne einen einzigen Baum oder Strauch - nicht überraschend auf einem ehemaligen Flughafen.
Hundeauslauf umkringelt |
Die beiden Hundeauslaufgebiete sind durch Zäune markierte und gesicherte, auf dem Rasen abgetrennte Bereiche. Außerhalb herrscht Leinenzwang.
Wenn ich von Rasen spreche, meine ich nicht Wiese, sondern von nichts als Gras bewachsene Freiflächen.
Der erbarmungslos brennenden Sonne waren wir diesseits wie jenseits des Zauns schutzlos ausgeliefert.
Tempelhofer Park, Hundeauslaufgebiet (Dog Run) 1 |
Den gemeinsamen Spaziergang mit der Teckelgruppe am folgenden Sonnabend werden wir dann vollkommen durchnäßt nach einem 1 1/2-stündigen Marsch über das Tempelhofer Feld mit Zwischenstation im Dog Run 2 beenden.
Tempelhofer Park, Hundeauslaufgebiet (Dog Run) 2. Kurz danach fing es an zu schütten. |
Die Unbehaustheit des Tempelhofer Feldes gilt für die Areale mit wie ohne Leinenpflicht. Fast möchte man sich einbilden, man wäre in dem eingezäunten Teil des Hundeauslaufs geschützter, dabei ist man nur eingesperrt und damit ausgesperrt von den Aktivitäten draußen auf dem Feld: Kitesurfing, Fahrradfahren, Spazierengehen, Rumhängen.
Stattdessen Zoo-Feeling: Die draußen sich Bewegenden gucken beim Vorbeikommen durch den Zaun hinein in den Käfig und betrachten die Hunde mit ihren etwas blöd herumstehenden, -gehenden Haltern. Denn so richtig viel konnten Lotti und ich dort im Zwinger nicht anfangen. Nun war es ja sehr warm, wodurch die Spiellaune der Hunde nicht sehr ausgeprägt ist. Zudem waren nur sehr vereinzelt Artgenossen anzutreffen.
Ich hatte den Ball dabei. Den warf ich für Lotti einmal den gesamten Käfig hoch und wieder zurück. Das gab so schätzungsweise 400 Meter Rennstrecke; schnüffeln auf reinem Rasen dagegen gab nicht so viel her. Dann ein bißchen halbherziges hitzebedingtes Spielgeplänkel mit den paar Hunden. Ein bißchen matter Hundehalter Smalltalk.
Wenn ich mit Lotti durch Wald/Park/Stadt gehe, bewegen wir uns DURCH Raum und Zeit. (Das gilt selbstverständlich auch ohne Hund.). In einem Hundeauslaufgebiet wie dem hier besuchten bewegt man sich IN Raum und Zeit. Das ist wie Joggen durch Wald/Park/Straße und auf dem Laufband.
Am kommenden Sonnabend werden wir mit einer ganzen Dackelmeute den Dog Run 2 nur als leinenbefreite Transitstation auf dem Weg übers Tempelhofer Feld aufsuchen. Der kurze Zwischenhalt im Zwinger ohne Leine wird sofort genutzt, den Ausgang unter dem Zaun zu suchen und auch zu finden, zumindest von den kleineren Kaninchenteckeln. Lotti ist dafür zu groß, bzw. würde es für sie zu lange dauern, sich durchzugraben.
Ortswechsel.
Beginn Hundeauslaufgebiet Volkspark Rehberge |
Das ganze Gegenteil an Hundeauslaufgebietsvorstellungen realisiert sich dann in den Rehbergen. Wer sich was hierbei und ob überhaupt in einer Amtsstube gedacht haben mag, möchte ich lieber nicht wissen.
Auf dem Bild sieht man das Hundeauslaufgebiet in seiner ganzen Breite. Linkerhand wird es begrenzt durch den eingezäunten Friedhof am Plötzensee, und rechterhand - durch offenen Baum-, Strauch- und Gebüschbewuchs. Dieser markiert aber schon den Beginn eines Landschaftsschutzgebietes, und dort herrscht - Leinenpflicht!
Da hätte ich mächtig was zu tun: Müßte mich ins Unterholz schlagen, Lotti zu fassen kriegen, sie anleinen oder schnellstens aus dem Buschwerk ziehen, damit sie sich auf legalem, i.e. leinenpflichtbefreitem Boden befände. Schnüffelte Lotti da nur einmal an einem Baum jenseits des Schildes, könnte es dir passieren, daß just hinter diesem Baum ein Ordnungsamtsmitarbeiter nur auf dich wartete, um dir 75 Euro abzuknöpfen.
Und das nicht nur einmal. Denn in der Länge erstreckt sich das Hundeauslaufgebiet bis zum Schwarzen Graben über ca. 350 Meter, als Teil des Dohnagestells, das hier jedoch auch als Fuß- und Radfahrweg ausgewiesen ist.
Aus der Tiefe des Hundeauslaufgebietes kamen die Fahrradfahrer |
Das grenzte schon fast an Unverantwortlichkeit von mir, Lotti den zügig sich bewegenden Fahrrädern auszusetzen. Ich mußte ständig die Augen vorne und hinten haben, um den Freiraum bis zum nächsten Fahrrad abzuschätzen. Außerdem war Lotti sehr folgsam und blieb auch in der Spur ohne Leine.
Aber sicherer ist es, den Hund in diesem Hundeauslaufgebiet anzuleinen! Wenn man dann an sein Ende gelangt ist, erwartet einen noch umfangreiche Lektüre.
Nach dem Schilderstudium dann:
Leinen los!
Ich bin Hundehalter.
Ich führe Lotti unangeleint durch Grünanlagen.
Und wen sollte ich hier wohl damit stören!
Toller Beitrag!
AntwortenLöschenApplaus!
AntwortenLöschenNoch Schöner ist es im " Auslaufgegiet" Humbolthain.
AntwortenLöschenErfolgreich bei Facebook geteilt und findet viel Gefallen. Danke
AntwortenLöschenJa, herrlich. Wir Hundehalter sind schon ein fieses, kleinkriminelles Völkchen. Interessant finde ich es, dass die völlig offensichtlich Drogen-vercheckenden Banden an Orten wie dem Görlitzer Park oder der Hasenheide völlig unbelangt ihren "Geschäften" nachgehen können...aber wehe, ein Hund wird von der Leine gelassen....
AntwortenLöschenIch bin auch Hundehalter und ich führe meine Lotti auch immer unangeleint ! Danke für diesen Bericht !
AntwortenLöschenBin auch für Leine los auf Grünflächen, Wald und Flur. Vorausetzung sollte natürlich sein, dass der Hund auch auf Herrchen oder Frauchen hört und niemand ernsthaft belästigt oder gar angreift. Außerdem sehe ich es kritisch wenn der Hund andere Tiere hetzt. Bin übrigen auch selbst Hundehalter und mein Frechdachs läuft fern der Straßen immer ohne Leine ;-)
AntwortenLöschenIch würde Sie und ihre Leser gerne zum Mitmachen an meinem Buch "Hundeshauptstadt Berlin" einladen. Ich suche noch Portraits von Hundehaltern aus vielen Berlinr Bezirken. Allso Informationen unter: www.hundeshauptstadt.de
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