Montag, 5. April 2010

Gegen Windmühlen

Neulich, nantemäßig vor dem Haus stehend, sprach ich mit Hausmeister K. über das bevorstehende Müllerstraßenfest, das über Ostern ablaufen würde.
Auch das Anzeigenblatt 'Berliner Woche' hatte darüber einen Vorbericht gebracht; 'Eine traditionsreiche Straße im Aufbruch', hieß es da in der Überschrift. Lassen wir das mit dem Aufbruch mal so unkommentiert stehen und wenden uns der Tradition zu, denn in einem Nebenartikel wurde auch etwas 'Zur Geschichte der Müllerstraße' veröffentlicht.
Darauf nun bezog sich Hausmeister K., als er mich fragte, ob ich denn wisse, woher die Müllerstraße Müllerstraße hieße. Na klar wußte ich das, nämlich von den Mühlen, die an der zugigen, zur Hauptwindrichtung gelegenen Straße einmal gestanden hatten. In den späten Siebzigern kursierte auch mal - zum Glück nur kurzfristig - die Schnapsidee, direkt gegenüber, im Lausepark, eine Mühle mit Restaurantbetrieb zu errichten.

 Lausepark: hier sollte in den 1970ern eine Mühlen-Restauration entstehen; ungefähr vorne an der Straßenecke war 1809 tatsächlich die erste Mühle in Betrieb genommen worden.

Ob ich denn auch wisse, daß die Müllerstraße früher der Weg nach Oranienburg gewesen wäre. Das nun bestritt ich vehement, konnte aber nicht recht durchdringen, denn schließlich hätte K. das so gelesen, und zwar in dem gerade verteilten Anzeigenblatt. Ich redete also gegen die Windmühlen des gedruckten, veröffentlichten Wortes an, weshalb ich folgende Email an die Redaktion der Berliner Woche sendete:

Sehr geehrte Redaktion,

in der 'Lokalausgabe Wedding' der Berliner Woche vom 31.3.2010 (13. Kalenderwoche) schreiben Sie auf Seite 2 im Artikel 'Zur Geschichte der Müllerstraße' u.a.:

"In uralten Karten ist sie als 'Straße nach Oranienburg' eingezeichnet. An der Müllerstraße gab es Anfang des 18. Jahrhunderts rund 25 Mühlen."

Tatsächlich jedoch ist die Müllerstraße "ein Teil des alten Heerwegs nach Ruppin" (1) "-wegen der von dort kommenden Bierfuhren auch 'Ruppinische Chaussee' genannt" (2).
Hier irrt also das Kartenwerk, oder es wurde unrichtig ausgelesen.

Noch heute heißt ein Abschnitt der nach Nordwesten gehenden Fortsetzung des Müller-Straßenzugs Ruppiner Chaussee. Nach Oranienburg führt hingegen auch heute der Straßenzug der B 96 u.a. über die Reinickendorfer Straße / Residenzstr und weiterhin Oranienburger Straße und Oraniendamm.

Richtig ist, daß 1809 eine erste Windmühle ihre Betrieb an der heutigen Ecke Müllerstr./Gerichtstr. aufnahm und bis zur Namensgebung der Müllerstraße im Jahre 1827 weitere hinzukamen. (1;2) Damit befindet man sich jedoch am Anfang des 19. Jahrhunderts, nicht des achtzehnten.

(1) Heidrun Joop, Berliner Straßen Beispiel:Wedding, 1987, S. 114
(2) Berlin Handbuch, Presse- und Informationsamt des Landes Berlin (Hg), Berlin 1992, S. 833
Mit freundlichen Grüßen

Auf einer Karte aus dem Jahre 1838 ist das auch noch so vermerkt - von Neu Ruppin:

 Bei dem Fluß handelt es sich um die Panke. An der Panke wechselt die Straße in nördlicher Richtung von Chaussee- auf Müllerstraße. Auf dem Gelände des damaligen Exercier-Platzes befand sich später das 'Stadion der Weltjugend'; letzte Woche hat dort das neue Hauptquartier des BND Richtfest feiern können!

Wo ich grad dabei bin: So sahs im Berlinbanal-Gebiet auf einer Karte von 1802 aus. Im wesentlichen Sand und Fenn.


Insofern hat sich da schon einiges getan. Also doch eine traditionsreiche Straße im Aufbruch!

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