Mittwoch, 21. April 2010

Wie ich mir 2 Mittelfinger fing

Vielleicht hätte ich mich nach einiger Zeit gewundert, daß ich beim Blick aus dem Fenster zur Straße hin keine Flugzeuge im Steig- oder Sinkflug mehr sichten konnte. Das hätte aber auch an der Wetterlage liegen können und daß sie eben über Spandau raus- bzw. reinkommen.
Mit Lotti in der Rehberge wäre es mir sicher ziemlich schnell aufgefallen, daß hier etwas nicht stimmt. Zwischen dem Volkspark und dem Flughafen Tegel liegt ja nur eine breite Straße und ein Kasernengelände. Keine startenden oder landenden Flugzeuge am Himmel, nicht das Hochdrehen der schiebenden oder schubumgekehrten Turbinen hinter den Bäumen.

Daß die Freunde am Rand des Hotzenwalds [ http://de.wikipedia.org/wiki/Hotzenwald ] immer noch in selbigem auf Standby sitzen und nicht wie geplant im Tunesienurlaub sind, schade und verwunderlich.
Die Cousin-Familie sitzt im Zug auf der langen Rückfahrt von Rom, statt längst hergeflogen zu sein. Die Tante kommt nicht weg nach Hause nach Florida.

 Hinten links gehts nach TXL: nix zu sehen.

Wie denn das alles käme, würde man sich wohl fragen, wenn man nicht am Nachrichtentropf von TV-Internet-Zeitung hinge. Auf einen Aschewolken speienden Vulkan in Island mit dem nur für isländische Verhältnisse übersichtlichen und leicht auszusprechenden Namen Eyjafjallajökull als gemeinsame Ursache all dieser merkwürdigen Begebenheiten würde man natürlich nicht kommen.
Wenn man jedoch nicht unterwegs sein mußte, war es nicht das Chaos des Jahres, das sich durch einen europaweiten Flugverkehr, der am Boden blieb, ergab, sondern nicht mehr als leicht verstörende Ruhe.

Derweil ist die erste Pracht des Frühlings ernüchternd abgeblättert.



Aber der Kirschbaum ist nicht allein. Andere, deren Namen ich nur nicht kenne, haben nachgezogen.
Der Lausepark im prallen Frühlingsidyllleben:





Während der Frühling also sein Werk weiter vorantrieb, der Eyjafjallajökull Asche spie und die Flieger nicht flogen, war ich mit Hausmeister K. mit einem Kleintransporter in Berlin unterwegs und fing mir auf dem Rückweg zwei Mittelfinger.

Wir hatten Hobeldielen für einen neuen Fußboden geladen und fuhren den Tempelhofer Damm hoch. Kurz bevor die Stadtautobahn den T-Damm kreuzt - wo die Verkehrssituation immer etwas unübersichtlich bis heikel ist - fährt vor mir auf der rechten Spur ein Fahrradfahrer mit gutem Tempo. Eigentlich könnte er auf den hier gut ausgebauten Fahrradweg einbiegen, was er jedoch, wie ich erahne, nicht tut. Will ich ihn nun nicht über den Haufen fahren, habe ich die Wahl zwischen scharfem Abbremsen und Ausweichen auf die Mittelspur, was voraussetzen sollte, daß diese auch frei ist und ich nicht meinerseits einen anderen Autofahrer vor dieselbe Wahl stelle, die mir bleibt. Nur weil ich vorausblickend dem Fahrradfahrer angesehen habe, daß er weiter auf dem Fahrdamm bleibt und deshalb im Vorhinein klären konnte, daß die Mittelspur frei ist, konnte ich dem Fahrrad problemlos ausweichen.
Das geschah jedoch nicht, ohne daß ich ihn durchaus verärgert und deshalb aggressiv anhupte, woraufhin er sich zu mir hindrehte und mir nicht weniger wütend den Mittelfinger entgegenstreckte, während ich ihm gestikulierend den Weg zum Fahrradweg zeigte.

Lieber Radfahrer. Wenn ich so Auto gefahren wäre wie du mit deinem Fahrrad, hättest du gute Chancen gehabt, im Krankenhaus oder auf dem Friedhof zu landen, oder, - was dir natürlich egal gewesen wäre - ich hätte unter Umständen einen Unfall mit dem nach mir folgenden Verkehr heraufbeschwören müssen, nur um dich nicht zu überfahren. Wenn ich nämlich erst in der Situation und nicht vorausblickend entschieden hätte, wäre da einiges an Fehlentscheidung möglich gewesen. Der Leidtragende wärst du eventuell gewesen, der letztendliche Verursacher du in jedem Fall. Deshalb meine Wut, die sich per Hupe Luft verschaffen hat. Deinen Mittelfinger kannst du dir im übrigen sonstwohin stecken!
Oder guckst du hier: http://www.berlin.de/polizei/verkehr/radfahrer.html

Weiter den T-Damm entlang, der dann in den Mehringdamm übergeht. Vor der Kreuzung  Tempelhofer/Hallesches Ufer gibts eigentlich immer was während der roten Ampelphase. Diesmal gings wieder ums Scheibenputzen. Gegen Punks habe ich dabei nichts. Anders bei den wahrscheinlich irgendwo aus Südosteuropa kommenden Drückern. Dem ersten, der sich mit seinem Putzset näherte, bedeutete ich verbindlich, aber bestimmt, daß ich keine Scheibenwäsche wünschte, was auch ohne Gegenreaktion akzeptiert wurde. Damit schien die Sache erledigt. Nicht jedoch für den Putzkompagnon, der- ich machs kurz - sich vor dem Seitenfenster gleich ohne Putzset aufbaute und mir unmißverständlich mit immer aggressiver starrendem Blick und indem er mir erst den hochgestreckten Daumen, dann den Zeigefinger und zuguterletzt den Mittelfinger entgegenstreckte, mitteilte, daß er 1 (oder 3?) Euro haben wolle und wofür er mich hielt, weil ich seiner Forderung mit immer unwilliger werdender Gestik und Mimik nicht nachkam. Bevor eine weitere Eskalationsstufe erreicht werden konnte, schaltete die Ampel auf grün.

Ja, so fing ich mir neulich zwei Mittelfinger; wegen Hupens und weil ich mich nicht der Weggelagerei und Nötigung beugte. Hätt schlimmer kommen können.

Donnerstag, 15. April 2010

Ist der Frühling wirklich überschätzt?

Berlinbanal-Leserin T. hat uns einen Zeitungsausschnit aus der Frankfurter Rundschau vom 20.03.10 (kann leider nicht verlinkt werden, außer für 2,38 €) geschickt. Um die "Überschätzte Jahreszeit" geht es darin; gemeint ist damit der Frühling.
Frühling kann jeder. Der Lenz mit seinem harmlosen, wohlfeilen Gewande macht es allen Recht. [...] Der blöde Frühling mit seinem blauen Band der Sympathie und den ach so herrlich befreiten Strömen und Bächen ist jetzt in aller Munde.
Der Autor des Artikels dagegen hält es eher mit der "Liebe zum Winter. Was für Profis."
Leserin T. positioniert sich hier eindeutig und bliebe dann lieber Amateur.

Zugegeben, das ist schon hübsch, wie sich der Lausepark gegenüber einschmeichelt.


Und die ersten ausschlagenden Straßenbäume hängen wie ein Schleier vor dem Verkehrsgeschehen.


Ist da im Winter aber alles nicht beinahe noch schöner!?

Häh, spinnt der jetzt der Blogschreiber!? Es gibt doch genügend Posts, in denen er mit dem Lamento über den Winter gar nicht mehr aufhören wollte. 
Ja das schon; aber da hatte man den Frühling noch, um sich auf ihn zu freuen - wenn erst mal Frühling wäre! Ist er dann da, hat man nur noch Frühling pur, ohne Heilserwartung wie im Winter - und das Gemeckere über den Frühling kann beginnen.

Soll ich mal anfangen?! M. hat heute schon mal vorgelegt. Nach diesem Scheißwinter, jetzt dieser Frühling, wäre ja viel zu kalt. Hat sie nicht ganz unrecht, wenn man immer noch die Winterjacke beim Gassigehen anzieht bei ein paar Grad über Null, mit böigem Nordostwind gestern.

Ja klar, die Sonne hat schon Power und es gibt genügend Anzeichen einer daraus resultierenden Steigerung des Lebensgefühls - und zwar in Form von auffällig vielen zertöpperten Bierflaschen. Weddinger Frühlingsgefühle! Was muß ich achten, daß Lotti nicht in die Scherbenteppiche dackelt.

Die Schlaglöcher haben es schon in die erlesensten Fernsehdiskussionsrunden geschafft. Auch der Frühling dran Schuld; im Winter waren sie noch viel kleiner.

Über das Problem Fahrradfahrer, das sich mit dem Frühling einstellt, schweige ich.  Als Fußgänger, Hundeausführer und Autofahrer werde ich noch in genügend Tacklings mit dem fahradfahrenden Teil der Bevölkerung verwickelt werden.

Zugegeben, der Kirschbaum im Nachbarhof hinten macht sich von Tag zu Tag prächtiger.


Aber das hat seinen Preis: in jedem Frühling mit jedem Blühen von Neuem: die Pollen. Da ist der Winter einfach unschlagbar.
Aber wenn ich ehrlich bin: jetzt hell bis gut nach acht. Ich kann also auch erst um sieben Uhr abendf mit Lotti in die Rehberge gehen, und es reicht für eine große Runde. Da schmiert der Winter schon ab gegen. Hat schon auch was der Frühling.

Mittwoch, 7. April 2010

Gassigang zur Kirschblüte

Vor Weltgetriebe
Sah ich 1 Monat lang nicht
Die Kirschenblüte.
(nach einem Haiku von  Ryota)

7. März 10:19 - 10:27 (MEZ)






Heute 14:16 (MESZ)
Ins Haus hinein auf den Hinterhof,
wo auch Hausmeister K. die japanische Kirschblüte besieht. 

Montag, 5. April 2010

Gegen Windmühlen

Neulich, nantemäßig vor dem Haus stehend, sprach ich mit Hausmeister K. über das bevorstehende Müllerstraßenfest, das über Ostern ablaufen würde.
Auch das Anzeigenblatt 'Berliner Woche' hatte darüber einen Vorbericht gebracht; 'Eine traditionsreiche Straße im Aufbruch', hieß es da in der Überschrift. Lassen wir das mit dem Aufbruch mal so unkommentiert stehen und wenden uns der Tradition zu, denn in einem Nebenartikel wurde auch etwas 'Zur Geschichte der Müllerstraße' veröffentlicht.
Darauf nun bezog sich Hausmeister K., als er mich fragte, ob ich denn wisse, woher die Müllerstraße Müllerstraße hieße. Na klar wußte ich das, nämlich von den Mühlen, die an der zugigen, zur Hauptwindrichtung gelegenen Straße einmal gestanden hatten. In den späten Siebzigern kursierte auch mal - zum Glück nur kurzfristig - die Schnapsidee, direkt gegenüber, im Lausepark, eine Mühle mit Restaurantbetrieb zu errichten.

 Lausepark: hier sollte in den 1970ern eine Mühlen-Restauration entstehen; ungefähr vorne an der Straßenecke war 1809 tatsächlich die erste Mühle in Betrieb genommen worden.

Ob ich denn auch wisse, daß die Müllerstraße früher der Weg nach Oranienburg gewesen wäre. Das nun bestritt ich vehement, konnte aber nicht recht durchdringen, denn schließlich hätte K. das so gelesen, und zwar in dem gerade verteilten Anzeigenblatt. Ich redete also gegen die Windmühlen des gedruckten, veröffentlichten Wortes an, weshalb ich folgende Email an die Redaktion der Berliner Woche sendete:

Sehr geehrte Redaktion,

in der 'Lokalausgabe Wedding' der Berliner Woche vom 31.3.2010 (13. Kalenderwoche) schreiben Sie auf Seite 2 im Artikel 'Zur Geschichte der Müllerstraße' u.a.:

"In uralten Karten ist sie als 'Straße nach Oranienburg' eingezeichnet. An der Müllerstraße gab es Anfang des 18. Jahrhunderts rund 25 Mühlen."

Tatsächlich jedoch ist die Müllerstraße "ein Teil des alten Heerwegs nach Ruppin" (1) "-wegen der von dort kommenden Bierfuhren auch 'Ruppinische Chaussee' genannt" (2).
Hier irrt also das Kartenwerk, oder es wurde unrichtig ausgelesen.

Noch heute heißt ein Abschnitt der nach Nordwesten gehenden Fortsetzung des Müller-Straßenzugs Ruppiner Chaussee. Nach Oranienburg führt hingegen auch heute der Straßenzug der B 96 u.a. über die Reinickendorfer Straße / Residenzstr und weiterhin Oranienburger Straße und Oraniendamm.

Richtig ist, daß 1809 eine erste Windmühle ihre Betrieb an der heutigen Ecke Müllerstr./Gerichtstr. aufnahm und bis zur Namensgebung der Müllerstraße im Jahre 1827 weitere hinzukamen. (1;2) Damit befindet man sich jedoch am Anfang des 19. Jahrhunderts, nicht des achtzehnten.

(1) Heidrun Joop, Berliner Straßen Beispiel:Wedding, 1987, S. 114
(2) Berlin Handbuch, Presse- und Informationsamt des Landes Berlin (Hg), Berlin 1992, S. 833
Mit freundlichen Grüßen

Auf einer Karte aus dem Jahre 1838 ist das auch noch so vermerkt - von Neu Ruppin:

 Bei dem Fluß handelt es sich um die Panke. An der Panke wechselt die Straße in nördlicher Richtung von Chaussee- auf Müllerstraße. Auf dem Gelände des damaligen Exercier-Platzes befand sich später das 'Stadion der Weltjugend'; letzte Woche hat dort das neue Hauptquartier des BND Richtfest feiern können!

Wo ich grad dabei bin: So sahs im Berlinbanal-Gebiet auf einer Karte von 1802 aus. Im wesentlichen Sand und Fenn.


Insofern hat sich da schon einiges getan. Also doch eine traditionsreiche Straße im Aufbruch!