Sonntag, 7. August 2011

Wahlwerbung 03 - Grün Schwarz Rot rot

(s. auch Post 'Wahlwerbung 02' v. 2.8.11)
 
Was hab ich mich in den letzten Tagen, wenn ich durch Berlin fuhr, in Gefahr begeben. Was habe ich das Risiko geradezu gesucht, wenn mein Blick nur zur Hälfte auf die Straße gerichtet war, während die andere Hälfte aufwärts gerichtet die Plakate an den Straßenrändern entlangscannte.
Und wofür?

Für den verdruckst-anbiederischen Wortwitz der Grünen im Afrikanischen Viertel: Genau mein WedDing oder auf dem Weg in die Stadt die stabreimende Grüne Wortspielbehelligung: Tilo für Tiergarten. Oder überall im zentralen Stadtbezirk das Willy-Astor-hafte: Fischer? Ja, Mitte!

Und wie stehts mit dem schalen Sozial, Kompetent, Natürlich Bio. Soll mich das dazu animieren, ein Kreuz bei Grün zu setzen?!
Sozial ist sogar die CSU, schon im Namen. Kompetent sollte sowieso jeder sein, der gewählt werden will. Und ob Bio oder nicht ist eher eine Entscheidung für den Supermarkteinkauf und gibts auch längst bei AldiLidl.
Und was soll ich von einem Grünen Eiapopeia wie aus Wilmerdorf halten: Lebenswert. Liebenswert. Grün.  Soll ich dafür wählen gehen?
Der durchgehend grüne Hintergrund der Plakate immerhin ist als Alleinstellungsmerkmal noch geblieben. Und sonst!?

Die Grünen bersten ja vor Tatendrang. Überall wollen sie ranmüssen:  Bezahlbaren Wohnraum, S-Bahn fit machen, Sozial und gerecht  für Berlin und Allem und Jedem wird angedroht:  Da müssen wir ran! Da müssen wir ran! Da müssen wir ran!
Da müssen wir ran heißt erst mal nicht viel. Es ist nicht gesagt, ob sie auch wirklich ran gehen, ob Lösungen gefunden werden, welcher Art diese sind, oder ob es überhaupt welche gibt. Da müssen wir ran benennt im Grunde nur, wo Handlungsbedarf bestünde; es ist nicht gesagt, daß auch gehandelt wird und wenn ja, wie tatsächlich gehandelt werden würde.

Aber erstmal wird großer Aktionismus suggeriert. Genauso unter ADS wie Grün scheint auch die CDU zu leiden.  (Wär doch schon mal eine schöne Grundlage für eine grün-schwarze 'wedding'.)

Komm, laß uns handeln!  säuselt da der alte Charmeur von der CDU oben auf den Plakat ganz im Sinne der Grünen Kernaussage vom Ranmüssen. 'handeln' ist hier zu verstehen als 'tätig sein, tätig werden'. Zusammen mit dem starken Appell eines doppelten Imperativs (Komm und laß) steckt hierdrin also die Aufforderung, etwas zu tun.
Und zwar was? Na etwas. Hauptsache handeln, tätig sein, tun, und zwar in einer Endlosschleife. Wie, warum, wozu? Bleibt ungesagt.

Oder doch nicht ganz. Das ganze Handeln also Damit sich was ändert.
Das ist an Unbestimmtheit erstmal schwer zu überbieten, aber es ist eben die Übersetzung des Obama'schen Change-yes-we-can durch die CDU-Berlin.
Als Grundlage für Koalitionsverträge mag solch ein Ausmaß an Vagheit ja schon mal ein guter Anfang sein, aber Wowie wird das keine schlaflosen Nächte bereiten.
Außerdem gilt bei einer Wahl, daß eine bekanntes Übel immer noch besser ist als unbekannte Segnungen; das ist der Regierungsbonus.

Für Grün oder Schwarz muß ich mich am Wahltag also nicht extra ins Wahllokal begeben. Denn während die CDU einen Hang zum Läppischen in ihrer Wahlwerbung hat, kommt bei Bündnis 90/Die Grünen erschwerend noch ein Nervfaktor durch den textlichen Aufwand hinzu.

Da hab ich mir doch bisher die SPD gelobt!
Ein Kandidaten-Gesicht, der Kernslogan Berlin verstehen, dazu das Rot unterlegte SPD. Soviel Corpsgeist, soviel Einigkeit, wenigstens Corporate Identity hat die SPD schon lange nicht mehr gehabt.

Und diese Ruhe! Nicht dieses aufdringliche hyperaktive Ranmüssen und Handeln und Ändernwollen.
Nein, ganz kontemplativ: Berlin verstehen! Das ist gut, richtig gut, das strahlt Sicherheit aus, da nimmt sich wer Zeit, da versteht jemand erst einmal etwas, bevor er sich ans Handeln macht - worüber aber Nichts gesagt ist, es kann auch ausbleiben.

Und so bescheiden! Alle Kandidaten/innen wie gleichwertig: unser Regierungswowie nicht stärker hervorgehoben als unser einfacher Wahlkreiskandidat, als unser Bezirks-bürgermeister.

Die SPD hätte schon fast meine Stimme sicher gehabt, da ihre Wahlwerbung die am wenigsten behelligende für mich ist, doch dann vorgestern, als ich morgens aus dem Fenster sehe, das hier!


Ich dachte, das Plakat will mich erschlagen, und ständig der Blick der Frau ins Fenster. Nee, das muß ich mir mit der Stimme nochmal überlegen.

Was ist eigentlich mit der anderen Regierungspartei Die Linke.? Machen die überhaupt mit diesmal? Ich habe nur ganz vereinzelt mal das eine oder andere Wahlplakat gesehen.
Vielleicht muß ich aber auch nur mal nach Ost-Berlin fahren. Angeblich soll da zugepflastert sein mit Die Linke.
Könnt' ich ja nächsten Sonnabend mal ne Besichtigungstour machen.
Achnee, ist der 13. August, da hab ich mit Lotti Prüfung!

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